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Wie hängen Hormone und Kaffee zusammen? Nimmt der Kaffeekonsum Einfluss auf den eigenen Hormonhaushalt? Und gibt es hierbei Unterschiede zwischen den Geschlechtern?
Der Beantwortung dieser Fragen und weiterer wichtiger und interessanter Fakten rund um das Themengebiet „hormonelle Gesundheit“ und „Kaffeekonsum“ widmen wir uns in diesem Blogbeitrag!
Also nochmals einen großen Schluck Kaffee nehmen, bequem platzieren – und die Portion Wissen der Woche genießen!
Komplexes System, komplexe Leistung, komplett koffeinfrei?
Wie komplex das System „Menstruationszyklus“ im weiblichen Körper ist, haben wir an anderer Stelle bereits beleuchtet. Hier spielten fein aufeinander abgestimmte hormonelle Konzentrationsschwankungen eine besondere Rolle. Wenn viele Elemente an einem facettenreichen System arbeiten, so kann man sich vorstellen, dass dieses auch anfällig ist auf Fehlsteuerungen.
Das kann man sich auch bildlich vorstellen, anhand einer Uhr. Sidenote: hier meine ich natürlich die analogen Uhren, nicht die digitalen.
Eine Uhr repräsentiert nach außen die Uhrzeit – so viel ist klar. Genauso, wie die Menstruation den hormonellen Zyklus und die potenzielle Fruchtbarkeit der Frau darstellt. Das Uhrwerk jedoch, sorgfältig verstaut hinter dem Ziffernblatt, stellt das komplexe und fragile Element dar: Zahnräder, die zart ineinandergreifen, Schräubchen, die verschiedene Komponenten zusammenhalten, Rädchen, mit denen man von außen das System nachjustieren kann. Sinngemäß lässt sich das auf den Menstruationszyklus übertragen.
Und mit einem solchen Rädchen, welches von außen in das System eingreift, sieht sich der Organismus tagtäglich konfrontiert: Kaffee.
Die Fragen aller Fragen haben wir in einem vergangenen Beitrag bereits beantwortet: Ist Kaffee gesund? Und die einfache Antwort auf diese Frage – die gibt es zwar nicht, da jeder einzelne von uns unterschiedlich auf die im Kaffee enthaltenen Substanzen reagiert. Aber prinzipiell kann gesagt werden, dass Kaffee die Gesundheit unterstützt, antientzündlich wirkt, die Zellen vor so genanntem oxidativem Stress schützt und uns leistungsfähiger macht, was uns zum Beispiel intensivere und fokussiertere Arbeitseinheiten erlaubt.
Prinzipiell ist also der Konsum koffeinhaltiger Getränke, mit dem auch Kaffee, empfohlen. Welchen Einfluss jedoch Kaffee und das darin enthaltene Koffein auf das hormonelle Zusammenspiel im Körper (nicht nur einer Frau, aber insbesondere hier) hat, wird bei diesen Empfehlungen zumeist nicht beleuchtet.
Daher wollen wir dieses Gebiet nun gemeinsam ergründen.
Wenn es kriselt – hormonelle Herausforderungen der Neuzeit
Die Zahlen verbreiten – gelinde gesagt – Unmut.
Aus einer Pressemitteilung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung vom 20.03.2024, hat die Geburtenrate in Deutschland ein Tiefstniveau von 1.36 Kindern pro Frau erreicht. Die Geburtenrate umfasst die durchschnittliche Anzahl an Kindern, die eine Frau in ihrem Leben haben würde, sofern die Umstände dieses Jahres (also die tatsächlichen Geburten pro Frau) unverändert blieben [5]. Im europäischen Vergleich (der Wert um die Fertilität lag 2022 bei 1.46) steht Deutschland zwar schlechter dar, aber generell unweit vom Durchschnitt.
Gründe für den Trend zum Rückgang der Geburtenrate gibt es einige. Unter den 35 bis 39 Jährigen Frauen Deutschlands gaben 22% an kinderlos zu sein. Unter den 40-44 jährigen waren es 21% und in der nächsthöheren Alterskategorie (in der sich hin- und wieder eine Mutterschaft ereignet) waren es 20%. [6]
Einer dieser Gründe, ein psychisch äußerst belastender, ist die Unfruchtbarkeit (Infertilität). Infertilität ist im medizinischen Kontext als Zustand definiert, wobei ein unerfüllter Kinderwunsch nach einjährigem, ungeschützten und regelmäßigem Geschlechtsverkehr besteht [3]. Dieses Thema beschäftigt nicht nur Frauen, auch die Infertilität der Männer ist ein zunehmendes Problem. Dabei sind die Ursachen für die Unfruchtbarkeit von Paaren in etwa 15% der Fälle ungeklärt [7]. Laut einer Studie aus dem Jahres 2018 [4] seinen eines in sieben Paaren in der westlichen Welt betroffen, während eines in vier Paaren in den Entwicklungsländern betroffen sei. Den alleinigen Beitrag zur Unfruchtbarkeit tragen Männer mit 20-30% bei, was regional jedoch äußerst unterschiedlich ist. So scheint es, dass die Regionen um Südafrika und Ost (8-12%)- beziehungsweise Zentraleuropa (9%) den höchsten Anteil an Infertilität durch Männer haben [8].
Alles in allem soll das heißen: Unfruchtbarkeit ist kein alleiniges Problem der Frauen und sollte immer auf partnerschaftlicher Ebene angegangen werden. Belastend ist es für beide Instanzen, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben.
Die häufigsten Gründe sind in diesem schönen Review zusammengefasst [4]. Das Alter der Frau ist einer der determinierenden Faktoren, wobei erwähnt wurde, dass die Qualität und Anzahl der Eizellen (Eizellreserve) im Laufe des Lebens der Frau zunehmend sinkt. Aber auch Erkrankungen des Eileiters und Ovulationsdysfunktionen seien, neben der männlichen Infertilität auch häufige Einflussfaktoren [7]. Störungen in der Ovulation, also dem Eisprung, zeichnen einen 25%-igen Anteil an Infertilitätsstörungen ab [9], wobei die Daten schon relativ alt sind (1992). Diese seien beispielsweise Schilddrüsenstörungen (in 2-3%), zu hohe Konzentrationen an Prolaktin (13%), Polyzystisches Ovarielles Syndrom (70% der Frauen, die keine Ovulation haben) oder Hypothalamische Amenorrhö (7-8%) [7].
Bei den unerklärlichen Gründen (15%) wurden weiterhin verschiedene Ursachen vermutet: Lebensstilfaktoren, wie das Rauchen und Übergewicht als auch Umwelteinflüsse seien hier plausibel. Auch die Assoziation mit einer anderen, chronischen Erkrankung, ist aufgeworfen worden. [7]
In dem Versuch, schwanger zu werden, wenden sich eine von acht Frauen im Alter von 15-49 Jahren an dafür spezialisierte Kliniken [4]. Im Rahmen der Kinderwunscherfüllung werden dabei unterschiedliche Tests und Untersuchungen vorgenommen, um der Ursache nach der Kinderlosigkeit auf den Grund zu gehen. Hierbei wird auch ein so genanntes Hormonprofil erstellt. Denn, wie wir an anderer Stelle bereits gelernt haben, baut der Zyklus auf einem Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Hormonen und deren dynamischen Konzentrationsveränderungen auf.
Der Zusammenhang zwischen Stress und Zyklusstörungen
Infertilität, so ist mehrfach gezeigt worden, führt bei etwa einem Drittel der betroffenen Frauen zu psychischen Symptomen, die auf eine Depression und Angststörung hinweisen [10,11]. Auch die Medikamente und Hormone, die zur Zyklusstimulation verabreicht werden, seien assoziiert mit dem häufigeren Auftreten an depressiven und ängstlichen Zügen [12]. Dass der Zustand um Infertilität aber auch Zyklusstörungen generell sich auf die Gesundheit der Psyche niederschlägt, ist sowohl belegt als auch herleitbar und führt zu einem doppelten Stressempfinden.
Die Frage ist, ob Stress und damit einhergehende mentale Instabilität selbst zu Zyklusstörungen führen können. Welchen Anteil spielt der Lebensstil, wie lässt sich der Zyklus im Alltag regulieren und geht das überhaupt?
Um dieser wichtigen Frage nachzugehen, wird es wieder einmal Zeit für eine Definition!
Was ist Stress?
Der Begriff „Stress“ findet sich heutzutage überall. Aber nicht nur im Alltag begegnet einem dieser Begriff fast schon in jedem Gespräch – jeder ist gestresst und wenn nicht, ist man quasi nicht en vouge. Um einen distinkten Begriff vor seinem weiteren inflationären Gebrauch und damit einhergehendem Wertverlust zu bewahren, definiert man diesen neu (beziehungsweise erneut) und macht diesen an möglichst messbaren Faktoren fest.
So haben es 2011 beispielsweise Koolhaas et al. in ihrem Review getan:
Auf physiologischer Ebene ist Stress charakterisiert durch zwei Merkmale. Entweder ist eine Komponente der Unvorhersagbarkeit inbegriffen oder es handelt sich um eine Situation, die mit aktuellen Ressourcen des Organismus unkontrollierbar scheint. [12]
Wichtig dabei ist, dass bei dieser Definition der Blick auf das Subjekt, also das Individuum an sich gelegt wird. Heißt: Wenn ich mich einer Situation nicht gewachsen fühle und auch nicht die nötigen Ressourcen oder den nötigen Rückhalt habe, bin ich gestresst – auf physiologischer Ebene. Auch, wenn ich einer Situation so noch nie begegnet bin, stresst mich diese erst einmal. Unabhängig von der Situation selbst, sofern physiologische Prozesse, die Stress implizieren, wiederspiegeln, empfinde ich Stress.
Dabei ist Stress, wie du vielleicht bemerkt hast, vollkommen wertfrei definiert. Und das ist tatsächlich auch so – Stress kann, je nach eigener Interpretation, negative oder positive Auswirkungen haben. Die Nervosität vor und während eines Vortrags vor Publikum, führt bei einer Person zu kompletter innerer „Zerstörung“, während es ein anderer als Motivationskick empfindet. Die körperlichen Reaktionen können dabei, wie bereits erwähnt, ident sein: Schwitzen, Herzschlagerhöhung, Blutdrucksteigerung.
Prinzipiell lässt sich auch konkludieren, dass die Empfindung „Stress“ eine Reaktion auf Stressoren darstellt, die als adäquate Herausforderungen für uns (unseren Organismus, unsere Psyche, etc.) interpretiert werden. Stellen wir uns der Herausforderung und bewältigen wir sie, werden wir zukünftig weniger Stress bei solchen und ähnlichen Herausforderungen empfinden (im besten Fall). Können wir die sich uns präsentierte Herausforderung jedoch nicht meistern, so kann dies zu verstärkten Stressempfindungen im Kontext solcher und ähnlicher Situationen führen.
Stressige Zeiten
Doch was passiert denn nun auf physiologischer Ebene, wenn wir Stress empfinden?
Diese Frage möchte ich nun einmal ganz kurz aufschlüsseln, damit wir dann ein Verständnis dafür aufbauen können, inwiefern unser Menstruationszyklus durch Stress beeinflusst werden könnte.
Eigentlich finde ich Definitionen immerzu hilfreich, wenn man über bestimmte Begriffe spricht. So folgte ich auch dieser Regel bei der Suche nach der Definition von physiologischen Reaktion von Stress und fand mich in einem Review des Jahres 2017 über „the impact of stress on body function […]“ von Yaribeygi et al. gut aufgehoben [14].
Hier wurden die verschiedenen Organsysteme benannt, auf die Stress, vornehmlich chronischer Art (getrieben von erhöhten Glukokortikoidkonzentrationen) hat. So fanden sich Effekte auf unsere kognitive Funktionen (mehrheitlich beeinträchtigt), auf das Immunsystem (heruntergefahren), auf den Magen-Darm-Trakt (Verdauungsstörungen) als auch auf das Herz-Kreislauf-System (Anfälligkeit auf plötzlichen Herztod erhöht) und Hormonsystem (Fruchtbarkeitsstörungen). [14] Alles in allem ist das Spektrum des Einflusses von chronischem Stress auf den Organismus äußerst breit gefasst und bedarf noch weiterer, spezifischer Untersuchungen und Aufschlüsselungen. Bis dahin – bleiben wir gespannt (oder besser entspannt 😉).
Die Verbindung zwischen Stress und Menstruationsstörungen
In den Sechzigerjahren wurde erstmals beobachtet, dass Stresshormone, die von unserem Körper ausgeschüttet werden, nicht nur periphere Wirkung haben (also schwitzige Hände, etc.), sondern auch auf unser zentrales Nervensystem wirken (das Gehirn) [15]. Somit fiel die Schlussfolgerung leicht, zu sagen, dass Stress auch potenzielle Auswirkungen auf unser Gemüt, unsere Psyche und auch auf hormonelle Funktionen haben kann, die durch unser Gehirn gesteuert werden.
Und tatsächlich ist gezeigt worden, dass unter Zuständen von chronischem Stress (ein Zustand, wo sich der Körper auf physiologischer Ebene immer in einem Stressmodus befindet und nicht mehr in der Lage ist, in einen Entspannungszustand zu gelangen) die Masse des Gehirns abnimmt [16], die Merkfähigkeit und das Denken selbst abnehmen [17] und die Reaktion auf weitere Stressoren unterschiedlich ist [18]. So folgt, dass sich chronischer Stress unterschiedlich in unserem Verhalten, aber auch in unserer Physiologie abbildet.
Unter Stress werden Stresshormone ausgeschüttet, die den Organismus bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderung unterstützen sollen. Diese sind unterteilbar in kurzfristig wirksame und langfristig wirkende Stresshormone. Bei chronischem Stress sind vornehmlich so genannte Glukokortikoide höher konzentriert in unserem Blut vorfindbar. Der Hauptvertreter in diesem Kontext ist das Cortisol. Auf dieses Hormon und dessen Interaktionen werden wir uns im Weiteren konzentrieren.
Das Cortisol wird von unseren Nebennieren ausgeschüttet. Genauer, von der Nebennierenrinde, der Zona Fasciculata. Diese Schicht in der Rinde der Nebenniere synthetisiert das Hormon und sendet es, auf ein bestimmtes Signal hin aus. Dieses Signal erreicht die in der Rinde vorhandenen Zellen mittels eines weiteren Boten – das ACTH (Adrenocorticotrophe Hormon). Dieses Hormon wird von der Hypophyse, der Hirnanhangsdrüse gebildet. Diese Struktur wurde bereits im vergangenen Beitrag vorgestellt und spielte dabei eine wesentliche Rolle in der Ausschüttung der Geschlechtshormone. Auch die Zyklusregulation wird durch die Hypophyse mit beeinflusst. Über der Hypophyse gibt es noch eine weitere regulatorische Instanz – den Hypothalamus (Big Boss). Und auch die Ausschüttung von ACTH wird von dieser Hirnstruktur reguliert – durch CRH (CorticotrophesReleasing Hormon). [19]
Generell ist das Zusammenspiel zwischen dem Hypothalamus, der Hypophyse und der Nebennieren auch als die so genannte Stressachse bekannt (HPA – hypothalamic-pituitary-adrenal axis). [22]
Alles in allem sehen wir also strukturelle Parallelen zwischen der hormonellen Regulation des Menstruationszyklus und der Regulation unserer Stressempfindung. Da liegt es nahe, dass Veränderungen auf der einen Seite zu Veränderungen im anderen Bereich führen könnten.
Doch ist dem auch so?
Welche Hormonspiegel können Unfruchtbarkeit oder Zyklusstörungen beeinflussen?
Kann gesagt werden, dass chronischer Stress, also anhaltend erhöhte Konzentrationen an Cortisol im Blut, zu Zyklusstörungen führt?
Die kurze Antwort ist: Jain.
So leicht lässt sich nicht schlussfolgern. Es gibt laut Sapolsky et al. 2009 und Charmandari et al. 2005 sicherlich bilaterale Einflussnahmen (Stress hat Einfluss auf den übrigen Hormonhaushalt, während der Hormonhaushalt auch die Stressachse beeinflusst). Jedoch wird hier die relevante Anmerkung aufgetan, dass selbst geringste Veränderungen in der Aktivität der Stressachse und damit in der Konzentration der Stresshormone, große und diverse Effekte auf verschiedenste weitere hormonelle Systeme im Organismus hat. Diese könnten zum Teil nicht klar, kausal und direkt voneinander abgetrennt und daher erkennbar sein. [20,21]
2017 zeigten unter anderem Wakodkar et al., dass erhöhte Konzentrationen an Glukokortikoiden (Cortisol) direkten Einfluss auf die Ausschüttung von GnRH hatten, das Hormon, welches den Zyklus direkt steuert [23,24]. Dabei wird das Gonadotropin nicht in der nötigen Konzentration ausgeschüttet. Außerdem zeigte sich an einem Tiermodell, dass erhöhte Konzentrationen an Cortisol die Reifung der Follikel und den Eisprung verzögern [25]. Dies sei auf eine Blockade des dafür notwendigen LH-Peaks als auch des Östrogenanstiegs zurückzuführen [25].
Grundsätzlich ist der genaue Mechanismus hinter der Einflussnahme von sowohl chronischem als auch kurzzeitigem Stress nicht vollständig untersucht. Beobachtungen, dass Frauen, die höhere Stresslevel angaben, längere Menstruationszyklen [26] , geringere Befruchtungsraten [27] und eine geringere Eizellreserve [28] hatten, unterstützen die Annahme, dass Stress einen signifikanten Einfluss auf die Menstruation einer Frau und damit ihre Fruchtbarkeit und hormonelle Gesundheit hat.
Nicht nur rein menstruale Beschwerden sind assoziiert mit einer veränderten Aktivität in der Stressachse. Auch Veränderungen in der Stimmung, vor allem in Richtung Depression, sind mit einer erhöhten Aktivität der HPA vergesellschaftet [19].
Im Spannungsfeld des Koffeins – Einfluss auf unsere Hormone
Bei meiner Recherche bin ich auf folgenden Zusammenhang gestoßen: das so genannte prämenstruelle Syndrom, welches charakterisiert ist durch beispielsweise Stimmungseinbrüche in der Lutealphase, vor der Menstruation, kann durch die Zufuhr von koffeinhaltigen Getränken beeinflusst werden [30]. Andere Symptome, die mit dem prämenstruellen Syndrom einhergehen sind neben Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, Schlaflosigkeit, Veränderungen im Appetit oder auch physische Symptome, wie Blähungen, Wasserretention und Übelkeit [31-33].
Wenn wir also unter prämenstruellen Beschwerden leiden, chronischen Stress mit erhöhten Konzentrationen an Cortisol haben, und dann noch Kaffee trinken, scheint sich die Kombination nicht gerade positiv auf den Zyklus auszuwirken. Gerade auch, weil Kaffee mit dem darin enthaltenen Koffein sowohl bei Männern, aber stärker bei Frauen, zu einer kurzzeitigen Stressreaktion führt (sympathische Aktivierung) [34].
Auf der anderen Seite stellten Peacock et al. in ihrem Review kürzlich dar, dass die aktuelle Studienlage zum Thema Kaffeekonsum und Zyklusstörungen zu geringfügig untersucht ist, um definitive Schlussfolgerungen zu ziehen [35]. Hier stellte sich sogar eine konträre Annahme dar, dass Koffeinzufuhr in einer moderaten Menge einen protektiven Faktor hinsichtlich eines regulären Zyklus darstellen könnte [36]. Eine weitere Übersichtsarbeit konnte keinen Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Unfruchtbarkeit oder signifikanten Zyklusstörungen identifizieren [37]. Anders sieht es während einer Schwangerschaft aus: da sollte tatsächlich auf Kaffee verzichtet werden, da Kaffeekonsum mit einer erhöhten Abortrate und einem geringeren Geburtsgewicht assoziiert war [38].
Bei Männern ist untersucht worden, ob Koffein möglicherweise die Qualität von Spermien beeinflussen könnte. Tatsächlich scheint Koffein über die Blutzirkulation zum Hoden zu gelangen und könnte daher potentielle Veränderungen vornehmen. Es ist vermutet worden, dass DNA – Schäden zu einer gestörten Integrität der Spermien führt und über diesen Mechanismus zu einer geringeren Fruchtbarkeit [39]. Laut Aussagen der Autoren einer rezenten Übersichtsarbeit sollten solche Hypothesen, die auf Beobachtungsstudien basieren, als solche behandelt werden: nicht bewiesene, mögliche Assoziationen, die genauerer Untersuchungen bedürfen [40].
Fazit: Umgang mit Kaffee – wann soll ich, wann darf ich, was kann ich tun?
Alles in allem sind Empfehlungen zu der Zufuhr von Kaffee während der Periode, nach aktuellem wissenschaftlichen Stand, nicht hinreichend durch qualitativ hochwertige Studien belegt. Lediglich im Rahmen vom prämenstruellen Syndrom scheint es Hinweise auf negative Einflussnahmen zu geben. Kausale Beziehungen zwischen dem Koffein oder anderen Substanzen im Kaffee selbst und direkten Wirkungen im Körper, die den Zyklus beeinflussen, scheint es bislang nicht zu geben.
Gerade in einem solchen Feld appelliere ich daher auf den eigenen Körper zu achten. Es ist einfach geschehen, Kausalzusammenhänge (wenn das, dann das) zu erkennen, wo tatsächlich andere Faktoren dahinterstecken könnten.
Faktoren, die zu erhöhtem Stressempfinden führen und dadurch den Zyklus deregulieren, verlängern oder die Empfindlichkeit der mit dem Zyklus einhergehenden Symptome, wie Müdigkeit oder Blähungen, erhöhen können, sind zahlreich und teilweise untersucht worden. Als eigene Beispiele kann ich hier nur nennen: SCHLAF beziehungsweise Schlafmangel, wie viel ich getrunken habe, Bewegung an der frischen Luft, was in meinem Leben sonst so vor sich geht, und, und, und.
Also: Stress ist für deine Gesundheit generell, handelt es sich um eine nicht-bewältigbare Art des Stresses oder Stress chronischer Art, eher unvorteilhaft. Es kann bei bestimmten Personen zu Zyklusstörungen und Unfruchtbarkeit führen. Selbst die Männer sind vor Lebensstil-bedingten Unfruchtbarkeit nicht gefeit – Die Qualität der Spermien leidet nachweislich unter dem Einfluss von Stress auf Zellulärer Ebene, dem so genannten oxidativen Stress [41]. Dabei wird auch, neben ungesunder Ernährung und Verhaltensweisen wie Rauchen vermutet, dass hoher Koffeinkonsum auf die Spermiengesundheit haben könnte. Belegt ist dies jedoch nicht. Genauso wenig, wie belegt ist, dass Koffein, trotz der kurzzeitig stressinduzierenden Wirkung, die es hat, Störungen des Menstruationszyklus hervorruft.
Nach diesem Fazit gehe ich mir jetzt erstmal einen Kaffee brühen. Bis zum nächsten Mal!
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[6] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Geburten/Tabellen/kinderlosigkeit.html letzter Zugriff: 06.06.2024
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